Erfahrungen von Teilnehmer*innen

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  • Freiheit durch Geschwisterlichkeit - Katharina, SANDIWAAN 2019

    Am 8. Februar 2019 stand ich am Gang des zweiten Stockes der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien vor den Bürotüren der Theologischen Grundlagenforschung und besprach gerade mit drei Freundinnen, wann eigentlich der Flug am Sonntag losgehen sollte. Erst zehn Minuten davor war mir bewusst geworden, wie ernst die Lage mittlerweile schon geworden war: Eine Freundin hatte mir gerade erzählt, dass sie ein Mosquito-Netz für ihr Bett hätte und die Kleidung mit Insektenspray imprägniert hatte. Alles Überlegungen, die mir sehr sinnvoll schienen, ich aber bis zu diesem Freitag völlig ausgeblendet hatte – geschweige denn, dass ich je von einem eigenen Insektenspray nur für Kleidung gehört hätte.

    So stand ich also da, langsam realisierend, dass ich möglicherweise völlig unvorbereitet war. Auf die Frage, mit welchen Erwartungen ich an die Exkursion herangehe, reagierte ich zunächst abwehrend, denn im Grunde hatte ich so wenige Vorstellungen davon wie von Imprägnier-Sprays. Die vielen Hoffnungen der anderen Teilnehmenden hatten mich gegenüber meinen eigenen zurückhaltend werden lassen: So viel, wie sich alle davon versprachen, konnte ich mir selbst nicht eingestehen, auch wenn ich daran glaubte, dass diese Exkursion einen erheblichen Einfluss auf mich als Person haben würde. Immer wieder ertappte ich mich bei der Frage, was denn die Menschen außer ihrem kulturellen Hintergrund dort von jenen unserer Nachbarländer unterschied, die ebenfalls befreiungstheologische Impulse vertragen könnten. Schließlich aber antwortete ich doch: „Vermutlich komme ich nicht mehr von dort zurück.“ „Wie meinst du das?“, fragte eine Freundin, „Glaubst du, es ist nicht sicher genug dort?“ „Nein“, antwortete ich, „aber ich werde bestimmt eine andere Person sein. Möglicherweise erkennst du mich gar nicht mehr.“

    Nun kann ich bestätigen, dass ich mich seit den Philippinen verändert habe. Die Erfahrungen, die wir dort alleine aber auch als Gruppe sammeln durften, waren sehr reich an Emotionen und haben die ein oder andere Sorge des Lebens hier in Österreich in einen größeren Kontext eingebettet.

    Da war zunächst der Eindruck der nicht enden wollenden Wellblechhütten inmitten des Stadtverkehrs von Manila Verkehrs. Dieser faszinierte mich sehr, war er doch wie ein aufgescheuchter Fischschwarm, der keine Richtung kennt – dafür aber Geschwindigkeit – und dennoch nicht kollidiert, hingegen aber mit beinahe kunstvollen Ausweichmanöver beeindruckt. Für mich repräsentiert der Stadtverkehr Manilas die Mentalität der philippinischen Bevölkerung: die Gesellschaft als Schmelztiegel, der jeden Moment zu kollabieren scheint und es auf wundersame Weise aber doch nicht tut – weil man aufeinander achtet, sich unterstützt und zusammenhält, aber auch, weil man einander ausweicht. Obwohl hier alles drunter und drüber läuft, sehen die Leute glücklich aus. Inwieweit die Resilienz, mit der sich die Bevölkerung selbst stolz brüstet, für dieses Land eine echte Handlungsoption gegenüber den vielfältigen Formen von Ungerechtigkeiten, Nöten und Gewalttaten ist, oder doch nur eine perspektivenlose Resignation ist, sei dahingestellt. 

    Viele Erfahrungen sind leider auch von einer tiefen Trauer und Angst geprägt. Wie ich bereits in einem Blogartikel1 ausgeführt habe, haben die Philippinen mit vielen Formen von Ungerechtigkeit zu kämpfen. Wie man sich selbst darin verortet, ist wohl eine der schwierigsten Herausforderungen und stellt zudem Anfragen an eine Theologie, die fernab von realen Erfahrungen agieren will. Die unterschiedlichsten Problemlagen, seien es Armut, Human trafficking, Drogenhandel oder Unterdrückung von Minderheiten gingen nicht spurlos an mir vorbei und immer drängender wird für mich die Frage, was die Theologie hier und heute in diesen Fällen anzubieten hat. Auch diese Frage habe ich, wenn ebenfalls nur grob, in einem weiteren Artikel2 angeschnitten.

    So herausfordernd, wie sich die unterschiedlichen Situationen auf den Philippinen darstellen, umso kreativer müssen Lösungswege entwickelt werden, ihnen zu begegnen. Ohne diese Exkursion wäre mir der Bedeutungsgehalt von Religion und Glaube wohl kaum deutlicher vor Augen geführt worden. Wenn auch die sinnstiftende Dimension von Religiosität aus religionswissenschaftlicher Perspektive unter dem Vorbehalt von Institutionen- und Machtkritik steht, ziehe ich dem vergangenheitsfixierten und resignativen Pessimismus eine nicht enden wollenden Hoffnung vor, die allem Widerstand zum Trotz noch immer um Freiheit bemüht ist:
    „Denn Liebe ist das Geschehen, in dem Freiheiten sich verbinden und unterschieden, der eine im anderen und durch ihn er selbst ist, Menschen sich »selbst« mitteilen und erreichen und zugleich welthaft-wirklich bestimmen: symbolische Realität also, in der absoluter Sinn schon gegenwärtig und doch noch versprochen wird, Synthese von Freiheit und Realität, formal unbedingt und eben deshalb alle Verhältnisse prägend und auf ihre Veränderung aus, wo sie ihr widersprechen.“3

    Den Glauben an die eigene Freiheit aufrechtzuerhalten, so meine ich, schaffen die Bewohner_innen dieser doch so fernen Insel, indem sie auf Mitmenschlichkeit bauen – familiärer Zusammenhalt hat auf den Philippinen eine eminent existenzielle Bedeutung. Darunter versteht man aber dort keinesfalls die Begrenzung auf biologische Verwandtschaftsverhältnisse: Wenn man die Inkorporation eines sozialen Ethos beweisen will, lassen schon die alltäglichen Umgangsformeln4 erkennen, was Geschwisterlichkeit und Solidarität auf den Philippinen ausmachen: Dafür danke ich meinen dortigen Brüdern und Schwestern – Maraming salamat sa mga kapatid!
       

    1 https://y-nachten.de/2019/04/theology-of-struggle-gegen-geltendes-unrecht/
    2 https://www.feinschwarz.net/praktisch-gedacht-philippinische-theology-of-struggle/
    3 PRÖPPER, Thomas, Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 2001, 125.
    4 Die höfliche Ansprache einer Person wird mit kuya (Bruder) und ate (Schwester) formuliert.

  • Long live Sandiwaan - MacMac, SANDIWAAN 2016

    As part of the continuous and more strengthened relationship between the Theology Department of the University of Vienna in Austria and the Inter-Congregational Theological Center in the Philippines, another batch of theology students from the Philippines was able to experience the ever-life-changing exchange student program called Sandiwaan, which started in 1994. Four gentlemen including me, were graced of the chance to visit, take a glimpse and experience the richness and beauty of Austria and its loving people. Modesty aside, allow me to share in this write-up some highlights of our thirty-day-well-spent program of Sandiwaan, although each moment that had passed was of equal preciousness.

    The program happened in the whole month of June, 2016. After a simple welcome party and a nice walk around some corners of the city of Vienna, the first days were programmed for lectures and discussions mainly on history, economics, culture, religion and current events of both Austria and the Philippines. Professors and speakers with such expertise of the said matters were invited to talk and facilitate the exchange of ideas. In other days, the brother delegates of the program were brought to Lower and Upper Austria including Salzburg and got the opportunity to bond and interact with the families and friends of the Sandiwaan participants, who went to the Philippines in 2015. There, we have seen the life of the people outside the city of Vienna and we were exposed as well to their different ways of farming with the use of advance technologies; we even had a look on massive structures, museums, churches and breath-taking natural resources.

    The experience became more colorful when we participated in some activities and outreach programs catered by their respective parishes and organizations similar that of Sandiwaan. The Mauthausen visit was one of the reasons as well that made this program more memorable and meaningful. It widened our horizon and has left a significant imprint in our minds and hearts. In between these activities were sharing of fruitful theological and philosophical reflections and realizations that simultaneously happened while we eat either in a fine-dine restaurant, or under the sun in a park with a bottle of beer in the hand.
    Indeed it was such an indescribable experience when these individuals, rooted from the diversity and plurality of both sides of the world will gather around to see, to analyze and reflect, and to act as one mind and heart and thus become instruments of peace and agents of change gearing toward a brighter future and a renewed face of the Church of the poor. Long live SANDIWAAN! Alles Gute! Mabuhay!

  • Widersprüchlichkeit als Anfrage und Aufgabe - Birgit, SANDIWAAN 2015

    Philippinen und Sandiwaan, diese beiden Wörter lösen bei mir in erster Assoziation ein Gefühl von tiefer Verbundenheit und Gemeinschaft aus, immer wieder merke ich, dass ich unweigerlich zu lächeln beginne, wenn ich sie höre. Das klingt im ersten Moment nach einem verklärten Blick auf ein Land, welches den meisten Menschen aus den Nachrichten bekannt ist, in denen hauptsächlich über die korrupte Regierung, Drogendelikte und Umweltkatastrophen berichtet wird. Auch bei weiterem Nachdenken über meine Sandiwaan-Erfahrungen kommen Bilder von großer Armut und Leid, Erinnerungen an tränenreiche Abschiede, emotionaler Achterbahnfahrten und das Gefühl der Resignation und Hilflosigkeit angesichts des menschlichen Leides, auf. Dennoch oder gerade deswegen war diese Exkursion eines der prägendsten und eindrücklichsten Erlebnisse in meiner gesamten Studienzeit, geprägt von Erinnerungen der Freude und des Zusammenseins. Es erscheinen Menschen vor meinem geistigen Auge, etwa Mac Mac, mit dem wir bei der «Karaoke night» Abba Lieder gesungen haben oder Nanay Baby, die mich mit unendlicher Gastfreundschaft in ihrem Haus in Old Saysain aufgenommen hat.

    Genau diese Widersprüchlichkeit, welche mich so maßgeblich in den vier Wochen auf den Philippinen begleitet hat, spüre ich auch heute noch. Wie kann ich aus so einem Land zurückkommen und durchwegs positiv über meine Erlebnisse sprechen angesichts der Perspektivlosigkeit vieler Menschen, denen wir vor Ort begegnet sind? Wie ist es Menschen möglich stets ein Lächeln zu behalten in Anbetracht des Leids, welches ihnen täglich widerfährt? Wie gehen wir und vor allem wie gehe ich mit dem latenten Schuldgefühl um, welches mich fortwährend auf dieser Exkursion begleitet hat, obwohl mir die selbige im gleichen Augenblick so viel Freude bereitet hat? Wie kann ich heute in einer Wellblechhütte wohnen und morgen in ein Flugzeug steigen, im Wissen am Tag darauf in meiner schönen Wohnung aufzuwachen? Was bedeutet diese Erfahrung für mich als Theologin, welche sich in ihrer Arbeit ausschließlich mit theoretischen Abhandlungen der Moraltheologie auseinandersetzt?

    Auf fast keine der Fragen, welche sich im Laufe der vier Wochen auf den Philippinen für mich stellten, konnte ich eine befriedigende Antwort finden und genau diese Herausforderung stellt Sandiwaan für mich dar. Fragen zu stellen, Leerstellen auszuhalten, von anderen zu lernen, auch wenn es uns unerklärlich erscheint, in Notsituationen nicht die Hoffnung zu verlieren, eigene Probleme zu relativieren, Gemeinschaft mehr zu schätzen, welche auf den Philippinen eine lebens- und überlebensnotwendige Komponente darstellt und vor allem, dass Solidarität eine Aufgabe ist, die uns allen gestellt bleibt und deren Erfüllung wir täglich neu anstreben sollten, auch grenz- und sprachübergreifend.

  • Eine traumhafte Reise – oder doch mehr? Leben nach den Philippinen - CH, SANDIWAAN 2000

    „Weißt du, ich habe mir vorher nie vorstellen können, diesen Weg zu gehen.“, sagte ich unlängst in einem Gespräch zu meiner Freundin. „Vorher??“ Mit fragendem Blick sieht sie mich an. „Ja, natürlich, vor den Philippinen.“ „Die Philippinen“, die alle drei Jahre stattfindende Exkursion auf diesen fernen Inselstaat. Vier Wochen kurz: doch wenn ich zurückblicke, bemerke ich, wie viel sich seitdem verändert hat. Ich sitze in einer Vorlesung. Egal, ob Fundamentaltheologie, Neues Testament oder Dogmatik, immer wieder höre ich die Stimme einer Professorin im ICTC, die den Studierenden sagt, was sie auch unseren Professor*innen sagen könnte: „You are too philosophical, be a bit more concrete!“ Jetzt, nachdem ich erlebt habe, dass es eine universitäre Theologie gibt, die eine Theologie der Gegenwart ist, in der Dinge beim Namen genannt werden, und die Bildung und Äußerung einer eigenen Meinung erlaubt und sogar gefordert ist, wächst in mir der Widerstand gegen eine Anhäufung von allgemeingültigen und dadurch nichtssagenden Sätzen, die ich in Prüfungen und Seminararbeiten reproduzieren soll.

    Und ich beneide die philippinischen Studierenden um die Möglichkeit, in den Exposures ihr Wissen mit ihren eigenen Erfahrungen und den Erfahrungen von Menschen aus allen Schichten und Bevölkerungsgruppen zu verbinden und anschließend zu reflektieren. Aber ich empfinde auch Dankbarkeit; wenn ich etwa auf den Straßen Wiens gehe oder fahre und an den Verkehr in Manila denke, die stinkenden Jeepneys, den Stau, den Dreck überall. Wie sauber und ordentlich es hier im Vergleich dazu ist. Überall gibt es breite Gehsteige, die mir fast menschenleer erscheinen, die Luft ist eine Freude zu atmen und immer wieder gibt es ein Fleckchen Grün, eine Bank zum Ausruhen. Die Häuser sind fest gebaut und schön verputzt, mit Zimmer und Sälen so groß, dass man darin tanzen kann.

    Allerdings, so erinnere ich mich, wirklich beengt habe ich mich nie gefühlt auf den Philippinen. Das Leben spielte sich draußen, unter freiem Himmel ab, und da war genug Platz für alle und noch eine*n mehr. Natürlich war auch das Wetter ein Traum gewesen. Aus dem grauen Winter in den Sommer zu fahren, was gibt es Schöneres? Und doch: bei der Vorstellung, das ganze Jahr hindurch dasselbe Klima zu haben („we have no seasons“) genieße ich den Frühling umso mehr, freue mich auf Sommer, Herbst und Winter und nehme die Vielfalt aufmerksamer wahr.

    Nur für die Sandler*innen, so denke ich weiter, für sie muss die Kälte eine Qual sein. Sandler*in – ein Wort, das mir fremd geworden ist und jetzt eigenartig klingt. Auf den Philippinen gab es keine Sandler*innen, nur Obdachlose, „homeless“. Die dafür in erschütternder Weise zahlreich. Es schien mir fast normal, ein*e Obdachlose*r, Arbeitslose*r, Arme*r zu sein. In den Begegnungen erlebte ich selber, dass diese Leute keine Sonderklasse sind, keine besondere Sorte Mensch, die man speziell behandeln muss. Vielleicht ist das der Grund, warum ich seitdem auch in Wien „Sandler*innen“ begegnen kann von Du zu Du, mit ihnen plaudere, lache feiere, mich unter ihnen einfach wohl fühle. Und wenn sie mich an ihrem Leben teilnehmen lassen und zu erzählen beginnen, kann ich einfach nicht verstehen, wie man diese Menschen so leichthin als Gescheiterte abqualifizieren kann. Was bedeuten eine schöne Wohnung, die Höhe des Einkommens, modische Kleidung?

    Seit Februar weiß ich es noch weniger als zuvor. Seit ich mit den „Armen“ gelacht, getanzt, Feste gefeiert habe, wie ich es in Österreich noch nicht erlebt habe. Eine alte Soundmachine und eine Petroleumlampe („no electricity“) genügten. Selbstverständlich bin ich froh darüber, dass ich mir über meinen Lebensunterhalt keine Sorgen machen muss – oder müsste. Aber ich bin mir jetzt ganz sicher, dass das nicht alles ist. Was bedeuten eine schöne Wohnung, die Höhe des Einkommens …? Ich habe keine Antwort auf die Frage, aber ich stelle sie mir immer wieder, und ich glaube, das ist gut so.

    Apropos Geld, auch das Einkaufen fühlt sich anders an. Nicht nur, dass ich, abgeschreckt von den riesigen Malls in Manila, die SCS noch mehr meide als vorher. Aufmerksam suche ich jetzt immer nach dem Etikett, das mir das Herkunftsland des Produktes angibt. Ich werde nie das kleine Zimmer vergessen, in dem zwei Filipinos Timberland-Rucksäcke nähten und uns zu einem Spottpreis verkauften. Was ich zwar natürlich wusste, habe ich hautnah erfahren: unser Reichtum lebt von der Armut anderer. Oft fühle ich mich diesen lebenszerstörenden Strukturen machtlos ausgeliefert, aber das Bewusstsein und die Entschlossenheit, mich für mehr Gerechtigkeit, nicht nur beim Einkauf, einzusetzen, ist gestiegen. Wir leben in einer Welt, und wir können heute nicht mehr so tun, als ob wir voneinander nichts wüssten.

    Dass dies ganz besonders auch für unsere Kirche gilt, wurde mir auf den Philippinen in sehr zwiespältiger Weise klar. Ich war schockiert, als wir die Kathedrale in Manila besichtigten – sie ist von einer europäischen Kirche nicht zu unterscheiden. Und es war befremdlich, in einem Land, in dem dreimal am Tag Reis gegessen wird („we never eat bread for breakfast“) und Teller aus Kokosnusshälften bestehen, eine Patene mit Hostien aus Weizenmehl und einen Kelch mit spanischem Wein auf dem Altar zu sehen. Zugleich war es ein schönes Gefühl, gemeinsam das „Our Father“ zu beten und sich als Christ*innen, die in derselben Schrift lesen und an denselben Gott glauben, verbunden zu wissen.

     Mich faszinierten die Arten der Frömmigkeit und die Ausdrucksformen des Glaubens, die von den Menschen selber kamen und auch von ihnen getragen wurden. Eine Ahnung davon, was die Schlagworte „Kirche als Einheit in Vielfalt“ und „Inkulturation“ bedeuten könnten, ist dadurch in mir erwacht. Ich wehre mich jetzt noch mehr gegen die so häufig auffindbaren 08/15-Messen, die niemanden berühren, und weiß zugleich, die gemeinsamen Strukturen unserer Kirche(n) zu schätzen. Weltkirche ist für mich etwas Wirkliches und Konkretes geworden. Durch den einen Geist weiß ich mich auch jetzt verbunden mit Menschen auf der anderen Seite der Erde, sei es, dass ich sie in mein Gebet einschließe, sei es, dass ich den Computer hochfahre und in der Mailbox „News from the Philippines“ finde.

  • I can´t change the situation of the world in one day. Mixed feelings and thoughts back from the Philippines - Elke, SANDIWAAN 1997

    “You’ve been to the Philippines? And how has it been?” “Mmm, hard” “Why that? What do you mean by ‘hard’?” “I can’t explain…” At this point, most of the people stopped asking me about my trip. They wanted to hear something about the beach, the sun, the sea, but well – I didn’t make such experiences (and I didn’t miss that either, although some could not believe it). Sure, I also met people, who were really interested in the trip. But although I talked for hours sometimes, it was hard for me to explain what had happened during this month, what had happened to me and my life and what has been changed.

    And well, there have been a lot of changes. When I returned from the Philippines on the one hand, I was happy to be safe in my home again, on the other hand, I felt very lonely and misunderstood by the people surrounding me. It seemed to me that only the members of our group, who shared the same experiences in the Philippines, could understand my inner feelings (I still feel a special and strong affection towards our group).

    There was such a confusion of different thoughts within of me:

    • I felt guilty, living in prosperity with so many things I didn’t really need – It was not my fault that I have been born in Austria.
    • I wanted to help the people in the Philippines – What about the poor in Austria (whom I am responsible for)?
    • I couldn’t understand the problems of the people around me (worrying about their outfit, appearance, leisure time,…) – Every culture, every context has its own problems.
    • I wanted to find solutions for the unjust situation of economy, discrimination,… - I felt helpless and hopeless (where to start?)
    • It seemed to me that the global problems were lying on my shoulders and I got very angry that such a big number of people lived within their small horizon and didn’t care about the rest of the world.

    So during the year after our exposure in the Philippines, I tried to put my mixed feelings and thoughts in order and to arrange my life with facing all those Problems.

    During the visit of our friends from the Philippines this year, all the tensions raised up again – and that was not only a pleasant experience. It was important for me to learn that I can’t change the situation of the world in one day (no matter how impatient I am), I have to accept my personal limits and can only find a way step by step. Our guests also reminded me that it’s so easy to relapse into living in a cosy and paralyzing prosperity and to leave the struggle for the others.

    Well, I am very thankful that I was able to stay in the Philippines making all these experiences and regarding to me I’d wish I had more strength…

  • Why is there such an inequality? A Reflection on my Austria Experience - Lino-Greg, SANDIWAAN 1995

    Many of you must have asked about what we are going to learn from this European exposure: What are we going to do in this affluent society? I myself have been asking this question. I admit that it was a kind of tour, an adventure, and a luxury on my part being there for the first time. I cannot deny that privilege and who could not be excited about it. I truly enjoyed every minute of my stay for who could not be amused by the beauty and wealth in this part of the globe. Yet, I could not help myself but be envious of such a beautiful country. I could only ask in dismay as to why there is such an inequality? Why is it that some parts of the world are enjoying so much beauty and wealth, while many of our people are struggling for survival? Indeed, for me and also for us who have seen and known the suffering of the million poor, for us who do not believe that this is all God’s will, would only find ourselves in futile rage. Yes, I did enjoy my stay in Austria but honestly, I also found myself crying about this unfair reality.

    Austria is a socialist country with an integrated capitalist economy. With this kind of government, the 7 million population is very well taken care of. There are also social classes like the rich businessmen and politicians, the middle class professionals, small businessmen, and the poor. It should be noted, however, that their poor are not to be equated with our poor. With the welfare society like theirs, their poor have their basic needs, their handicapped have decent places to live in, with first class services. Every citizen has free health care service and education. There is a fair salary for their workers, who have a very historically strong union. We must be aware that the workers are one of the priorities of a socialistic kind of government. The capitalistic mentality is creeping in but there is little or maybe no truly Austrian business monopoly. You cannot find big or mega malls or markets owned by few individuals like we have. Feudalism is a by-gone, and their farmers are well off with enough land to till, mechanically of course. And it is true that the farmers have cars. The government must have supported their farmers from production to marketing. (However, there is a growing fear among them regarding this one European community that might put limits to their produce and hence lesser market.) They have very efficient transportation system; the fast trains going to all parts of Austria and Europe, the tramways and underground trams within city centers. They do not know the word “brown-out” for there is never lack of electric power. Besides these eco-political advantages, Austria is gifted with natural beauty; the green forested mountains and slopes, the alps, beautiful lakes and a lovely clean river, the blue Danube crossing the country. No wonder, a very rich culture blossomed there. What else can I say of this place but truly beautiful and rich? It is a dream world for me and for our impoverished Country!

    As I expressed this overwhelming feeling I had, one Austrian shared to us that it hurts him when he hears that Austria is beautiful and rich for in one way or another, he said, it is so because we in the Third World are poor. He believes that Austria and many other rich countries are responsible also for this inequality. Indeed, my direct experience with this beautiful and rich country has then made me more convinced of my option together with other church people to be one with our poor in their desire for the transformation of our Philippine society and the world order. Our dream for a just, peaceful, and egalitarian society is not a utopia; it is something realizable. If Austria and other developed socialist countries are able to arrange their society in a manner where there are not so much poor and not so much gap between people, then, why can’t we transform our society in a maybe uniquely different and even better way than theirs? To go on with our capitalistic, profit-oriented society will lead us to nowhere. It will only add more greedy individuals hence, also millions of deprived and exploited Filipinos. For where can we find families owning hundred or thousand hectares of land? Where can we find individuals who own business firms earning billions of pesos for themselves? We can see them only in capitalist oriented societies! Yes, people can be blinded to see such inequality and injustice. Some are actually aware but simply refuse to realize that they are already depriving a lot of people.

    The church in Austria with its 85% Catholic population has paradoxically played a great role in the development of Socialism and the betterment of Austrian society. Many Austrians shared to us that it was the influential Cardinal König, former Archbishop of Vienna and prominent figure of the Vatican II Council, who made socialism slowly acceptable to the once anti-socialist Catholic population. They re-told that in their earlier elections, the Cardinal had enlightened the people not by telling them to vote for socialist parties but by challenging them to discern deeply on parties which truly offer concrete humane programs for the betterment of Austrian people. He warned them, they said, not to be lured by slogans of democracy, freedom, and even Christian, which may be for him empty.

    We Filipinos have too much to learn from this. We boast of being the only Christian country in Southeast Asia. Our government officials are Christians and mostly Catholics. This government promotes the slogans of freedom, democracy, and development through liberal capitalism then, dismisses socialism together with communism as atheist and inhuman. But if we look honestly into our society, we discover that freedom, democracy are MYTHS! Where is development when the majority of our people are still poor? Where is freedom when people who simply cry for justice, land, and just wages are harassed, imprisoned, and even killed? It was more painful to realize that in Austria where are no political prisoners and yet we continue to boast that we are a free country like the USA! Lastly, where is democracy when all our government officials are landed people or businessmen? Is this not clearly an elitist democracy? Well, how could it be democratic when it is elitist in the first place?

    Now, who are the real atheists and inhuman? In a situation of grave inequality, injustice and massive poverty, I really wonder where the Christians are. Where are those who claim that we are all brothers and sisters? Indeed, as long as there are millions of poor Filipino brothers and sisters of ours, no one could truly claim oneself to be a Christian. Those Christians who continue to say that this crisis situation is God’s will and all we have to do is to accept such reality are no Christians at all, in fact, perpetrators of this evil society. Does not the gospel challenge us to transform our lives and our society into the values of God’s Kingdom rather than only merit heaven for our personal salvation?

    However, a phenomenon in Austria challenged my desire for a better society. I have seen that there is a growing individualism and liberalism. In a well-off society, people can really be led to complete emancipation. Having all the needs in life, one cannot be needing anybody’s help and even worst, God’s help. Most Austrians go back to their apartments or homes after work where they lock themselves in, watching television and or be with their own family affairs. Usually, I observed Austrian villages and streets to be empty and lonely. Most of the times, the place looks like a very big museum. The values also of a capitalistic society are slowly influencing the minds of the youth. Gradually, however, many of them are feeling empty and lonely. I was shocked to learn that while I admire the beauty and wealth in Austria, many people are committing suicide. All these crises are something I and all those who work for a better Philippines, have to consider. Truly enough, we should be dreaming not only for economic prosperity but a genuinely total human and social development.

    Moreover, Austrian government is becoming very self-serving. It showed some reluctance and unwillingness to help the refugees of Eastern Europe. The socialist government, while it has responded to the needs of its citizens has been blind to the real problems of its Eastern European neighbors and the Third World countries.

    This context of the government’s exclusivism, the crisis of materialism, individualism, and meaninglessness are concrete and real problems that the Church of Austria has to seriously respond to. Inwardly, the Church has to be truly renewed otherwise, those who might come back to it looking for meaning might just be frustrated to see the very same rigid, hierarchical, dogmatic, and boring church they had previously departed. Outwardly, on the one hand, it has to be prophetic in challenging the evils of materialism, liberalism, and individualism. It has to be a brave witness and challenge to the self-serving society. On the other hand, it has to become a Church that is humble and understanding. One that co-journeys with those who are searching for meaning in life rather than the once triumphalist and condemning church! It should also be able to listen to the few who genuinely live out creative ways of being an Austrian church of this time. I have seen and witnessed individuals and groups who work with the prisoners, the handicapped and the workers. There are also those who are doing solidarity work not only with Eastern European refugees but also with the people of the Third World. These signs of renewal and actually, seeds of life, have to be re-appropriated by the Austrian Church in order for it to be truly alive again.

    There is a growing fear among church people of Austria that their church is on its restoration course with their present seemingly conservative church leaders. But I have great hopes with these few zealous individuals and groups, who with their great love for the Church will never allow it to die in vain! With the concerned people of Retz, Wiener Neustadt, Hollabrunn, Mauer, See Kirche, Altenhoff, Emmaus, the promising theologians and church people like Cardinal König, Professors Zulehner and Viert, Christina, Gunter and Veronika, Leo and Teresa, Brigitta, Johannes; and with all the creative and prophetic Austrian Christians; the church of Austria will be able to face the challenges of its time! Greatly indeed all these groups and individuals have really touched me. If they, in their distance to the Philippines have shown so much care for our people, how much more should I, as a Filipino, truly offer my life seriously for them.

    To all of you, I thank you for this Austrian experience! 

  • Was bringt ein Austausch-Programm? Vertieftes Verständnis der Situation auf den Philippinen - Franz, SANDIWAAN 1994

    Auch wenn man schon Vieles über die Lebensverhältnisse und die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen in Ländern der sogenannten dritten Welt gelesen hat, verändert ein begleitender Aufenthalt vor Ort noch einmal die eigene Perspektive nicht unwesentlich. Erfahrung kann durch nichts, auch nicht durch die besten Medien, ersetzt werden. Die Armut wird konkret, in geringem Ausmaß sogar am eigenen Leib erfahren, und die Armen bekommen Gestalt und Gesicht durch (mit)geteilte Lebensgeschichten.
    Diese Erfahrung verunmöglicht es, mitgebrachte Feindbilder, Vor- und Pauschalurteile aufrechtzuerhalten, und ermöglicht ein tiefes Verständnis für die Anliegen der Betroffenen und jener, die sich mit ihnen solidarisieren. Durch den intensiven Kontakt kann Vieles auch von der anderen Seite wahrgenommen werden. Das führt zu einer wichtigen Erweiterung des eigenen Horizontes.
    Wieder zurück in Österreich empfinde ich mich durch diese Erfahrungen standfester und überzeugender in der eigenen Argumentation, wenn es darum geht, immer wieder geäußerten Vorurteilen entgegenzutreten oder Befürchtungen auszuräumen, und erfolgreicher im Werben um Verständnis und solidarisches Mitgefühl. Erfahrungen sind glaubwürdiger als theoretische Überlegungen. Glaubwürdige und überzeugende Bildungsarbeit kann nur machen, wer selbst solche Erfahrungen durchgemacht hat. Davon bin ich seither überzeugt.


    Das Evangelium mit neuen Augen lesen

    Es ist überraschend, wie unmittelbar verständlich die Bibel wird, wenn man sie mit den Augen der Armen, Unterdrückten und Entrechteten liest. Viele mitunter recht komplexe theologische Überlegungen und Interpretationen werden obsolet, weil die ursprüngliche Aussage in diesem Kontext klar auf der Hand liegt. Diese Erfahrung macht für mich verständlich, warum die Lektüre der Bibel in diesen Kirchen so bedeutsam ist, und ermöglichte mir selbst einen neuen Zugang zu dieser.


    In der eigenen Position herausgefordert

    Ich habe während diese Austauschprogramms radikale Nachfolger*innen Jesu und prophetische Zeug*innen seiner Botschaft, großartige Glaubensvorbilder, kennenlernen dürfen. Sie wurden und werden für mich zur Herausforderung, meinen eigenen Glauben und mein Leben kritisch zu hinterfragen. Sind meine Konsequenzen im Leben aus dem Glauben radikal genug oder passe ich mich allzu leicht der herrschenden Kultur an? Viele für mich selbstverständliche Dinge, die ich habe, oder zumindest manche, wurden dadurch fragwürdig und ich werde angeregt, meine Ziele und Wünsche vor diesem Hintergrund in Frage zu stellen und teilweise zu revidieren.
    Dazu gehört auch, anzuerkennen, dass wir hier in Österreich ganz eindeutig auf der Seite der Nutznießer*innen des herrschenden Systems und damit auf jener der Unterdrücker stehen, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Es stellt sich die Frage, wie ich mit dieser bisher abgelehnten Rolle umgehen soll und kann, welche Verpflichtungen sich daraus ergeben.


    Die eigene kirchliche und gesellschaftliche Situation mit neuen Augen wahrnehmen

    In gesellschaftlicher Hinsicht ist es erstens die Dankbarkeit für die Fülle von Möglichkeiten, die uns die stabile Demokratie hier in Österreich bietet. Mit dieser Gabe ist allerdings auch die Aufgabe verbunden, sie entsprechend zu nützen und uns als Kirche nicht von der Pflicht, zu einer menschlicheren und solidarischeren Gesellschaft beizutragen, zu befreien.
    In kirchlicher Hinsicht haben sich für mich viele unserer angeblich so schrecklich großen innerkirchlichen Probleme, die uns daran hindern, etwas zum Positiven zu verändern, relativiert. Kirchliche Mitarbeiter*innen, die mutig genug sind Missstände aufzuzeigen und zu kritisieren, riskieren maximal (auch das ist schlimm genug) ihren Posten, was bisher aber noch in den wenigsten Fällen vorgekommen ist. Viele unserer Begleiter*innen und Freund*innen auf den Philippinen riskieren durch ihr Engagement wirklich ihr Leben und scheuen doch nicht davor zurück. Wie können wir uns mit ihnen solidarisch erklären, wenn wir nicht bereit sind, auch die negativen Konsequenzen unseres Glaubens und damit unseres Engagements auf uns zu nehmen?


    Große Bestärkung für den eigenen Weg

    Sowohl unsere Partner*innen auf den Philippinen als auch wir hier in Österreich sind mit unserer Einstellung und unserem Verhältnis des christlichen Glaubens in Gesellschaft und Kirche in der Minderheit und müssen dadurch oft mit großen Widerständen kämpfen. Das bringt die Gefahr der Frustration und letztlich der leisen Resignation, für die es viele Begründungen gibt, mit sich. Die Begegnungen des Austauschprogramms brachten es mit sich, dass beide Seiten einerseits im eigenen Land viele entdeckten, die ähnlich denken und die gleichen Ziele verfolgen, und andererseits über große Distanzen und kulturelle Unterschiede hinweg eine tragende Solidarität von Christen gleicher Orientierung spüren konnten. Wir sind nicht allein, nicht hier in Österreich, nicht dort auf den Philippinen, nicht in der großen Gemeinschaft der Weltkirche. Das gespürt zu haben, bestärkt uns mit neuem Mut, den begonnenen Weg fortzusetzen. Die Erinnerung an die Leiden unserer Freund*innen auf den Philippinen hat mir schon oft geholfen, scheinbar große Hindernisse nicht so ernst zu nehmen und damit zu überwinden.